Es ist Samstag, es ist warm in Hamburg. Der Wettergott muss an diesem Wochenende ein Radsportfan sein. Ohne warten kann ich meine Nummer abholen, besuche noch kurz die Messe auf dem Rathausplatz. Danach geht es aufs Hotelzimmer.
Der Moment der Wahrheit: Startblock G. Ich bin kurz demoralisiert. „G? Wie soll ich aus diesem Block nach vorn kommen?“ Wenn ich zu diesem Zeitpunkt nur wüsste.
Es ist Sonntagmorgen, 6:00 Uhr. Ich bin schon seit 30 Minuten wach, will aber noch im Bett liegen bleiben. Ich stehe auf, gehe zum Frühstück, im Saal ist viel los, fast alle tragen ihre Rennkleidung. Ich schaue auf die Teller der anderen und bemerke, dass ich spartanisch Frühstücke: Zwei Löffel Rührei, 3 trockene Brötchen, 2 Gläser Wasser und 2 Gläser Orangensaft.
Nach dem Frühstück geht’s aufs Zimmer, nochmal die Beine für 15 Minuten im 90 Grad Winkel an die Wand. Letzte Regeneration, dann WSV Hose und Trikot an, Helm sitzt, Flaschen sind gefüllt und am Rad. Draußen vor dem Hotel ziehe ich die Schuhe an. Ein Pärchen bereitet sich gerade auf ihre Tour vor, ich lächle und frage, ob es ihr erstes Mal bei dem Rennen ist. Es ist ihr erstes Mal, ich wünsche viel Erfolg und Spaß. Sie wünschen mir es auch und sagen ich wirke nervös. Ich bin es, natürlich. Aber nicht so nervös wie letztes Jahr.
Angekommen im Startblock gibt es noch nette Gespräche mit den Leuten um mich herum und dann geht’s auch los.
Die Startlinie überquert geht es mit Vollgas aus Hamburg raus. Einige sind nach 5 km bereits voll am Limit, ich fühle mich gut. Ab und an wird es im Feld ziemlich eng und gefährlich. Ich entscheide mich schnell aus der Position in der Mitte des Feldes zu verschwinden und mich vorn in der Gruppe festzusetzen. Mein gutes Gefühl ist nach 40 km weiterhin da, zwar ist der Puls bei mir immer zwischen 160-180 Schlägen, aber im Flow des Feldes fühlt es sich viel entspannter an. Ich schaue auf mein Garmin, Durchschnitt: 39,5 km/h. Letztes Jahr ging es ab hier an nur noch langsamer voran.
Das Tempo blieb unverändert, nur die Gruppe wurde von Kilometer zu Kilometer kleiner. Über die Wellen des Sachsenwalds fahre im Wiegetritt und finde mich schnell an der Spitze der Gruppe wieder, teilweise zu weit vorne für meinen Geschmack. Kurze Zeit später Geschrei von hinten im Feld, der erste Gedanke ist der an einem Sturz. Aber so war es nicht, eine Gruppe von Triathleten fegt links an mir vorbei, ich finde eine Lücke und schließe mich an.
Es sind 75 km gefahren und ab jetzt an habe ich das Gefühl endlich ein Rennen zu fahren. Es geht aus jeder Kurve im Sprint raus, es macht Spaß. Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist unverändert. Ich realisiere, dass ein Durchschnitt von 40 km/h möglich ist. Ich haue mich voll rein und gebe alles bis wir abbiegen auf die letzten 2,5 km. An der Alster entlang schaue ich auf die Fontäne, dann ein Blick nach hinten, da ist niemand mehr. Die Gruppe besteht nur noch aus 20 Leuten. Bis ins Ziel sollen nochmal 10 weitere das Tempo nicht mehr mithalten können.
Ein kurzer Sprint an 5 Leuten vorbei und schon ist die Ziellinie überquert. Ich schaue auf das Garmin, Durchschnittsgeschwindigkeit: 40 km/h. Ich kann es kaum glauben, bedanke mich bei den Triathleten und denen die die meiste Zeit in der Führung waren. Als ich vom Rad steige merke ich keine Schmerzen oder Ermüdung, das ganze Endorphin und Adrenalin zeigt noch seine Wirkung.
Die Freude und der Fokus liegt nun auf die Cyclassics 2020, das Ziel ist klar: sich weiter verbessern.
Christoph Frädrich